Digitalisierung- der nächste Sündenbock?

In verschiedenen Artikeln von renommierten Medien wurde in den letzten Monaten vor den Gefahren der Digitalisierung gewarnt. Ins gleiche Horn stösst der aktuelle Economiesuisse Präsident Heinz Karrer. Dabei wird immer wieder dieselbe Studie zitiert, nämlich eine Untersuchung der Universität Oxford. Darin wird auf die Gefahr des Verschwindens von über 90 % bestimmter Arbeitsstellen hingewiesen. Begründet wird die Abnahme bestimmter Jobs v.a. durch die fortschreitende Digitalisierung.

Wie in unserem Buch „Information Governance“ ausführlich beschrieben, haben sich bereits viele Vordenker, unter anderem Jérome Lanier, mit diesem Phänomen befasst. In diesem, von ihm behandelten Kontext geht es um die Gefahr des Datensammelns. Es entsteht eine schleichende Konzentration der Machtverhältnisse auf die potentesten Datensammler. Lanier schliesst daraus, dass den meisten Geschäftsmodellen das Schicksal der Musikindustrie droht. Solche Gedanken müssen wir ernst nehmen, auch wenn wir sie heute vielleicht als überzogen bewerten,

Eine nüchterne Betrachtung dieser Artikel und Mutmassungen lässt jedoch immer nur den einen Schluss zu: Wir sind schon seit Jahren daran, manuelle Tätigkeiten durch die technische Weiterentwicklung abzulösen. Dies ist keine neue Entwicklung und findet so seit der Industrialisierung statt. Es sollte also nicht primär darüber lamentiert werden, dass diese Stellen einen Wechsel erfahren oder verschwinden, sondern, WIE sie kompensiert werden könnten.

Kompensation kann hier zweierlei bedeuten:

  1. Bereitstellung von finanziellen Mitteln zu Gunsten der „Geschädigten“, also Personen, die „dummerweise“ den falschen Beruf erlernt haben (Stichwort Grundeinkommen).
  2. Die Schaffung neuer Jobprofile, die sich den Digitalisierungstendenzen entziehen.
  3. Ein unternehmerisches Handeln, welche die erwähnten Aspekte berücksichtig.

Auf Punkt 1 werde ich hier nicht weiter eingehen, wenngleich dies ein interessanter, allerdings heute politisch fast aussichtsloser Ansatz ist. Er wird uns in Zukunft aber sicherlich noch beschäftigen.

Meiner Meinung nach hat die zweite Strategie klar ihre Grenzen. Denn es wird sich nicht vermeiden lassen, dass viele Jobs, die heute als reine Hilfsjobs eingestuft werden, verschwinden werden.

Es wird sich also jeder Unternehmer die Frage stellen müssen, wie die erzeugte Wertschöpfung verteilt werden kann, dass sie auch den Verlierern zukommt. Die Gewinnmaximierung im Interesse der Aktionäre wird sich mit der Verschärfung der Arbeitslosigkeit nicht mehr rechtfertigen lassen. Gleichzeitig lässt sich aber auch nicht rechtfertigen, dass Jobs beliebig ins Ausland verschoben werden. Die Verschiebung von Jobs geschieht meistens unter dem Deckmantel der Kosteneinsparung. Hätten die Unternehmen ihre realen Gestehungskosten tatsächlich im Griff, dann würden sie sehr schnell feststellen, dass Kommunikationsverluste, welche sie in Zusammenarbeitsmodellen mit vernetzten internationalen Standorten entstehen, die vermeintliche Kosteneinsparung mehr als kompensieren.

Was bedeutet dies nun für den verantwortungsbewussten Unternehmer in der Schweiz? Hier einige Grundsätze, die mir in diesem Zusammenhang als wichtig erscheinen:

  1. 1. „All Business is local“ bleibt ein zentrales Strategieelement. Viele Produkte werden bewusst bei lokalen Anbietern gekauft, weil der Mehrwert des neuen Zugangs und der besseren Qualität eine wesentliche Rolle spielt. Dies gilt vor allem für hochwertige Produkte, wird sich aber auch auf weitere Angebote ausdehnen. Wir werden eine stärkere Abschottung der Märkte sehen, die Globalisierung hat ihr Limit erreicht.
  1. Die Digitalisierung ist der Auslagerung von Arbeitsplätzen vorzuziehen. Im Zusammenhang mit Grundsatz eins stellt man immer wieder fest, dass es vielfach wesentlich sinnvoller wäre, bestimmte Geschäftsprozesse zu automatisieren, statt sie an ein unfähiges Dienstleistungszentrum auszulagern. Lieber vereinfachte und günstige Prozesse im Inland, als komplizierte und schwerfällige im Ausland, denn Zeit bleibt Geld. Das Potenzial ist hier enorm und noch lange nicht ausgeschöpft.
  1. Es gibt Tätigkeiten, die man heute als hochqualifiziert bezeichnet, dies freilich nie waren. Ich denke hier z.B. an die Programmierung. Eine Tätigkeit, die man eigentlich schon lange hätte automatisieren können. Hier soll den die Automatisierungsmöglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft, bzw. stark verbessert werden. Hier besteht ein grosses Kostenersparnispotenzial.
  1. Weg von der Anonymisierung und der Automatisierung von Kundenanbindungen. Kunden wollen von einem echten Menschen bedient werden. Automatisierte Portale mögen zwar eine nette technische Spielerei sein, sie ersetzen jedoch den Mensch zu Mensch Kontakt nie. Wenn eine Ur-Schweizer Firma sich erlaubt, einen automatisierten Help Desk im Ausland einzurichten, dann verspielt sie damit bereits 50% ihrer Glaubwürdigkeit.
  1. Es gibt Geschäftsmodelle die sich nicht dafür eignen, automatisiert zu werden. Dazu gehören meiner Meinung nach Finanzberatungen, obwohl dies die Fintech Auguren derzeit zu widerlegen versuchen.
  1. Wehren Sie sich gegen das Überhandnehmen der Normierung und den Regulierungswahn. Was wir in den letzten 20 Jahren am Produktivität gewonnen haben, haben wir zur Hälfte durch völlig sinnlose Normierungen und Standards vernichtet. Wir schaffen sinnlose Jobs und versuchen, diese mit Ressourcen zu besetzen, die sich noch nicht einmal im Inland befinden. Das ist ökonomisch gesehen ein völliger Blödsinn und so rasch als möglich abzustellen. So leid es mir tut, aber es gibt Dienstleistungsbranchen, die ihr Kerngeschäft mit 50% des Personalbestands problemlos abwickeln könnten. Im Rahmen von Kundenmandaten trifft man immer wieder auf Wertvernichtungen unter dem Denkmantel der „Compliance“, die einem die Haare zu Berge stehen lassen.
  1. Suchen Sie nur hochqualifizierte Fachkräfte, die dieses Prädikat auch verdienen. 90 % der so genannt hochqualifizierten Jobs verdienen dieses Prädikat in keiner Art und Weise. Braucht man eine hochqualifizerte Persönlichkeit, dann nimmt man auch ein halbjähriges Bewilligungsverfahren in Kauf.
  1. Folgen Sie nicht den großen Beratungsunternehmen wie McKinsey & Co., sondern stellen sie sich ihre eigenen Gedanken an. Das ist zwar keine neue Weisheit, doch man stellt immer wieder fest, dass Verwaltungsräte gnadenlos kopieren, was ihre „Peer„-Organisation gerade getan hat. Bestes Beispiel dazu ist das Outsourcing wurde von vermeintlich unterqualifizierten Bürojobs. in Unkenntnis der realen Kosten, werden die Jobs ausgelagert, was zu den bereits oben erwähnten Nachteilen für das Unternehmen führt. Frei nach Dilbert „Wenn alle nur noch „best practice“ machen, sind sie alle nur noch mittelmässig“.
  1. Als Verwaltungsrat sind sie in der Pflicht, sich auch darüber Gedanken zu machen, wie sich das Unternehmen trotz all dieser Widrigkeiten im Sturm bewegen kann. Viele gute Beispiele werden Ihnen zeigen, dass dies auch weiterhin möglich ist. Das allgemeine Lamentiergehabe, welche sich derzeit ausbreitet, ist wohl das beste Gift zur Ausrottung einer gesunden Wirtschaft.
  1. Vernetztes Denken ist Pflicht und er kann sich weder auf die Ratschläge von überbezahlten Funktionären noch Politikern verlassen. Lassen Sie Doom-Propheten wie Karrer und Co. links liegen, die ihre Sporen als Schönwetterkapitäne verdient haben und uns jetzt erzählen wollen, worauf wir achten sollen. Dies gilt auch für Schönwetterpolitiker, die uns vormachen wollen, dass wir die Schönsten und Besten sind.

Denken Sie selbst nach, handelt sie als Unternehmer machen sie Dinge, welche nicht „in“ sind. Setzen Sie sich mit Ihren Arbeitnehmern aktiv auseinander und lassen Sie auch sie zu Wort kommen.

 

 

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